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Marmolada – die ramponierte Königin der Dolomiten

Walther Lücker • Juli 08, 2022

Wie das Riesenmaul eines Haifisches öffnete sich nach einem Serac-Abruch Anfang Juli 2022 dieses Loch im Marmolada-Gletscher

In der Sekunde, als am 3. Juli 2022 die Natur an der Marmolada ihre Wucht und ihre zerstörende Gewalt entfesselte, konnte niemand ahnen, dass die Rettungskräfte im Laufe der folgenden Stunden und Tagen elf Todesopfer aus den Flanken bergen würden. 

Carlo Budel hat sein halbes Leben in der Fabrik gearbeitet. Er war sogar mal Tellerwäscher. Vor allem aber ist er ein Freund der Natur. Und er ist der Hüttenwirt der Capanna Punta Penia. Das kleine, windschief wirkende Konstrukt aus Holz, Blech und Stein ist nicht gerade ansehnlich, doch es steht an einem der schönsten Plätze der Ostalpen. Die Marmolada wird auch als „Königin der Dolomiten“ bezeichnet. Wegen der sanft geschwungenen Linie, die der Gipfelgrat wie eine Krone von West nach Ost bildet. Und natürlich wegen des größten Dolomitengletschers, der früher mal hübsch anzusehen war und heute nur mehr ein kümmerlicher Rest aus Eis ist. Dort kann man im August an schwarzen, schmierigen Jahresringen der Umweltsünden der Menschheit im vergangenen Jahrhundert ablesen. 

Der Mann, der wütend ist auf seine Marmolada
Die Capanna Punta Penia in 3340 Meter Höhe ist sozusagen die Perle in der Krone diese Königin. Ich habe dort oben Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge beobachtet, die mir unvergesslich geblieben sind. Beides erlebt man dicht gedrängt, wenn man übernachtet. Hatte ich auch, mehrmals. Meist genießt Carlo Budel die wenigen Wochen sehr, die er dort oben verbringen kann. Er ist ein feiner und feinfühliger Mensch. Er hat einen interessanten Mischlingshund. Den hat er "Paris" getauft. Weiß der Himmel warum. Carlo Budel liebt „seine“ Marmolada. Er verehrt sie tatsächlich wie eine Königin. Der Berg hat ihn unfreiwillig zum Influencer in den sozialen Medien gemacht. Denn die Fotos, auf denen er mit seiner selbst gestrickten Wollmütze in der abendlichen Sonne sitzt, sind fast schon legendär. Doch jetzt ist er ungehalten mit seiner Königin. Er hat sich das in einem ergreifenden Post von der Seele geschrieben: „Ich liebe die Marmolada und werde sie immer lieber, auch wenn ich gerade wütend auf sie bin“. 

Die gaffende Menge stellt die Fragen
Es wird in diesen düsteren Tagen viel diskutiert, rund um den höchsten Berg der Dolomiten. In Canazei vor allem, wo man die Toten und die Überreste dessen, was man von ihnen und ihrer Ausrüstung gefunden hat, in einer Halle versammelt. Auch am Fedaiasee, wo, um eine weiträumige Absperrung herum, Uniformierte patrouillieren, wie vor einen Hochsicherheitstrakt. Es ist wegen den schaurünstigen, gaffenden Menge. Weltweit berührt und polarisiert dieses tragische Ereignis. Wer oder was war da schuld? Wäre das zu verhindern gewesen? So die bangen Fragen. Und jede Menge Antworten. Sofort. Wie aus der Lawine geschossen. Die Staatsanwaltschaft hat einen Akt angelegt und Ermittlungen aufgenommen. Inzwischen hat der ermittelnde Beamte festgestellt, dass weder Fremdverschulden, noch Vorsatz, noch falsch eingeschätztes Risiko diese Katastrophe bedingt haben könnten. Und dennoch wird so vieles vermutet, spekuliert und angeprangert. 

„Lasst uns aufhören und beten…“
Carlo Budel sagt in seinem Post: „Im Fernsehen habe ich großartige Bergsteiger, Gletscherexperten und Fachleute gehört. Sie sind sich alle einig, dass dieses katastrophale Ereignis nicht vorzusehen gewesen ist. Und dann reden Leute, die zuerst Virologen, dann Kriegsexperten und jetzt plötzlich Bergsteiger und Eis-Fachleute sind. Dabei haben sie die einzige Anhöhe ihres Lebens mit der Seilbahn erreicht. Lasst uns aufhören, nach Schuldigen zu suchen, sondern leise für Diejenigen beten, die diesen Berg liebten und am Sonntag ihr Leben dort verloren haben…“ Man ist versucht zu sagen: Recht hat der Mann. 

Es war 13.30 Uhr, als sich am Sonntag, 3. Juli 2022, dieser Eisschlag seine Bahn brach. Tonnen Eis, Geröll, Firn und Wasser schossen mit über 300 Stundenkilometer talwärts, vom mittleren Teil des langen Marmolada-Grates kommend und dem Weg des geringsten Widerstandes konsequent folgend. Unterwegs nahm die Lawine alles mit, was ihr im Weg war. Auch die Menschen, die sich auf dem Gletscher im Abstieg vom Berg befanden.

Marmolada: Blau markiert die Normalroute auf den Gipfel, rot bezeichnet grob den Lawinenstrich.


60 Meter hoch, 200 Meter breit

Es war warm an diesem Tag. Und auch am Vortag. Viel zu warm. Zehn Grad, zehn Komma drei genau, sind zu viel für diese Jahreszeit. Der Gletscher sah in diesem Jahr schon Anfang Juni aus, wie sonst Ende Juli. Grau und dreckig. Offen all die Spalten, die den Gletscher schon ewig zerreißen und die die ständige Bewegung dieser unruhigen Materie dokumentieren. Regen und Schmelzwasser, so erklären Glaziologen wissenschaftlich belastbar, muss in großen Mengen in das Innere des Marmolada-Gletschers eingedrungen sein. Irgendwann so viel, dass der Serac kippte und fiel. Fast sechzig Meter hoch und wohl zweihundert Meter breit. Eine Schuppe eher, weniger ein Turm. 


Eis und Wärme werden niemals gute Freunde werden. Ein Gesetz der Physik.


„Es war der schlimmstmögliche Zeitpunkt und Tag“

„Warum hat man die Gefahr nicht vorher erkannt und die Kletterroute gesperrt“, fragt aufgeregt auf „ZEIT online“ ein besorgter Foren-Teilnehmer in den Tagen danach. Die Schwester eines Verunglückten eilte nach Canazei und gab bekannt, so wolle nicht eher ruhen, bis ein Schuldiger gefunden sei. Carlo Budel sagt traurig und mit Blick auf seine Marmolada: „Es war der schlimmstmögliche Zeitpunkt und Tag, an dem sich das Eis am Gletscher hat lösen können“. Natürlich war das so, betrachtet man das schreckliche Ausmaß dieser Tragödie. Doch was meint Carlo Budel damit?


Reinhold Messner hat sich dort verewigt

Ich kenne die Marmolada von allen Seiten. Von Süden mit der beeindruckenden, lotrechten Wand, in der sich Reinhold Messner mit dem famosen Ausstieg aus der klassischen „Vinatzer-Route“ verewigt hat, in der es spektakuläre Kletterlinien mit klangvollen Namen wie „Moderne Zeiten“, „Der Weg durch den Fisch“ oder „Don Quixote“ gibt, und wo selbst die einfachste Kletterei den unteren fünften Schwierigkeitsgrad erfordert. Von Osten, wo die „Via Eterna“, die „Endlose“ über einen ausgesetzten Grad am Drahtseil zur Forcella Serauta, in Richtung Punta di Rocca leitet, der etwas niedrigeren der beiden Marmolada-Gipfelschwestern. Also dort, wo man im Winter Ski fährt. Oder von Norden kommend, über den einstmals so beeindruckenden Gletscher. Die Abstiegsroute, auf der das Unglück geschah, gilt auch als sogenannter Normalweg für den Aufstieg. Und von Westen, entweder vom Fedaia-See aus oder vom Contrin-Haus und schließlich über den Westgrat-Kletterersteig auf die Punta di Penia, den höchsten Punkt der Marmolada. Ich habe dort kaum etwas ausgelassen. 


Man braucht Erfahrung an diesem Berg – genügend Erfahrung

Ganz gleich jedoch, von welcher Seite man sich dem Haupt der Königin auch nähert, einfach ist es nirgendwo. Es braucht den guten Bergsteiger, den ausgebildeten Alpinisten. Einen Bergführer für Jene, die sich ihrer Sache nicht ganz sicher sind. Jedenfalls, es braucht Erfahrung im Klettern, im Klettersteiggehen, im Eis. Die Marmolada ist kein einfacher Berg und schon gar nicht ein Nachmittagsvergnügen in “alta montagna“. Es sind schöne Touren, die da hinaufführen. Bereichernd und vielfach unvergesslich. Und natürlich birgt jede dieser Touren dort auch jenes Restrisiko, um das Alpinisten wissen und um das sich jetzt wieder die selbsternannten Experten die Münder zerreißen. Steinschlag, Eisschlag, ein heftiger Witterungsumschwung mit Blitz, Hagel und unglaublichen Schneefällen mitten im Sommer – all das gehört eben auch zur Marmolada, wie zu jedem anderen „hohen“ Berg. 


Immer schon blitzgefährlich

Und natürlich war dieser Berg auch schon vor 40 Jahren und noch viel länger potenziell gefährlich. Da gibt es ja gar kein Vertun. Immer schon hat es Stein- und Eisschlag in Jahren enormer Sommerhitze gegeben. Und im Winter vernichtende Lawinen. Es ist erst eineinhalb Jahre her, als am 14. Dezember 2020, einem Montag, eine gewaltige Lawine das historische Schutzhaus Pian dei Fiaconi zerstörte und sogar die darunter liegende Liftanlage beschädigte. Derselbe Lawinenstrich. Nur damals menschenleer. Und vor allem einem Winter mit meterhohen, fragilen Schneemassen geschuldet. 

Was also will Carlo Budel sagen? 


Nach dem Eissturz an der Marmolada wurde erst nach einer Woche auch der letzte Vermisste tot geborgen.             (Quelle AP)


13.30 Uhr – das ist normal

13 Uhr, 13.30 Uhr, ist eine normale Zeit für den Abstieg nach der Überschreitung der Marmolada. Denn man braucht seine Zeit, bevor man oben am Gipfel ist. Wandernd zunächst, steil bergauf gehend und schließlich am Drahtseil gesichert kletternd. So funktioniert der Steig am West Grat. Da kommt niemand rauf, der nichts von Alpinismus versteht. Das waren auch am vergangenen Sonntag allesamt entweder erfahrenen Alpinisten oder sie waren mit Bergführern unterwegs. Der Zeitbedarf hängt von der Kondition der Protagonisten ab und auch von den Staus, die sich an schönen Tagen am Klettersteig durchaus bilden können. 


Und selbstverständlich, wird jeder vernünftige Mensch, zumal bei diesem Traumwetter und mit einem Blick sicher 200 Kilometer weit, bei Carlo Budel einkehren, etwas essen, etwas trinken, die paar Schritte hinübergehen zum Gipfelkreuz und ein Foto machen. Niemand rennt einfach über einen Gipfel drüber, wenn nicht das Wetter hetzt. Die Zeit am Berg vergeht schnell. Das wissen wir alle. Also 13 Uhr ist durchaus normal, wenn man sich auf dem Abstieg befindet. Zunächst einen einst herrlichen Grat leicht abwärts, an dem die Jahre, die Sonne und das Klima den Firn genommen und Gestein belassen haben. Dann am Drahtseil eine unangenehme Rinne hinunter. An deren Ende gähnt die Randkluft. Da muss man drüber, um auf den Gletscher zu gelangen. 


Vorbei an Spalten und gähnend tiefen, schwarzen Löchern

Steigeisen anlegen, Pickel, Stöcke, wenigstens eine Eisschraube, ein paar Schraubkarabiner, ein paar Schlingen, der Helm und vor allem ein Seil – das ist Standard auf dem Marmolada-Gletscher. Da ist es wieder: Das ist kein Berg für Anfänger. Das wissen die Allermeisten auch. Stetig absteigend wendet sich die bisweilen knietiefe Spur im weichen Nachmittagseisbrei in Richtung Osten. Durch ein beeindruckendes Spaltengewirr, mit gähnenden Tiefblicken und vorbei an tiefen, schwarzen Löchern. Am Rand der Spaltenzone geht es gerade hinunter. Südwärts nun. Doch dann wendet sich der Trampelpfad, der keiner ist, erneut nach Südosten. Man sieht dort einen großen Felsen aus dem Eis ragen, unterhalb des Hauptmassivs. Und genau dort oben, zwischen Punta die Rocca und Punta di Penia hängt dieses eisige Bollwerk unter dem Grat. Es ist steil dort oben, niemanden hat es je dorthin gezogen. 


Es war nicht die Frage ob, es war nur die Frage wann

Schlimmstmöglicher Zeitpunkt. Schlimmstmöglicher Tag. Sagt Carlo Budel. Viele Bergsteiger waren an diesem Tag auf der Marmolada. Und viele mussten wieder hinunter. Die Wärme. Das Wasser im Gletscher dort oben. Der enorme, tonnenschwere Druck auf eine ganz offenkundig fragil gewordenen Eismasse. Es war nicht die Frage, ob es kommen würde, es war einzig die Frage wann. Sie beantwortete sich um 13.30 Uhr. Während ahnungslose, wohl glückliche Bergsteiger diese Passage querten, die nun zur tödlichen Schussbahn wurde. Dort ist man sich sicher, bald unten zu sein. Angekommen bald beim Pian dei Fiaconi. Die Bergführer werden wohl kurz den Blick nach oben gerichtet haben. Der Instinkt des Alpinisten wittert, was dort oben hängt. Doch er vermag unmöglich zu sagen, wann der Gletscher bricht. Das ist nicht möglich. Allen Zwischenrufen ewig kluger Besserwisser zum Trotz. Dieser Punkt der Tragödie ist nicht einmal diskussionsfähig. 


Schwarzer Dreck

Ich gehe schon seit einigen Jahren nicht mehr auf die Marmolada. Aus einem einzigen Grund: Es ist mir zu gefährlich. Die Spalten, die sich immer früher im Jahr öffnen, sind atemraubend tief und gruselig. Das sieht aus, wie der Schlund zur Hölle, alles voller schwarzem Dreck aus der Umwelt und vom Sahara-Regen, zerrissen, zerklüftet, bedrohlich wirkend. Seit ich am K2 im Karakorum in eine Spalte geflogen bin, mag ich Gletscher nicht mehr sonderlich. 



In Schichten kann man nach dem Ausbruch an der Marmolada auch die Umweltsünden der vergangenen hundert Jahre sehen.


Entsetzt – und doch…

Und, der Gletscher der Marmolada wird immer kleiner, er verliert an Volumen. Je geringer allerdings seine Auflagefläche wird, umso gefährlicher werden die unterirdischen Seen, die sich in jedem Gletscher bilden. Sie kommen und gehen, in dem sie wieder abfließen. Und der See da oben ist eben nicht mehr abgeflossen. Als er randvoll war und das Wasser immer wärmer wurde, ist der Gletscher quasi implodiert, hat diesen 60 Meter hohen Serac umgeworfen und dieses Eis ergoss sich zusammen mit dem Wasser und Gestein ins Tal. Unterwegs hat die Druckwelle alles mitgenommen, was sich auf dieser Bahn befand. Steine, Geröll, Gletschersand, fein gemahlen und schließlich auch die Bergsteiger, die sich allesamt im Abstieg befanden. 


Eine entsetzliche Tragödie.
Und doch, betrachtet man die Evolutionsentwicklung der Alpen insgesamt,
dann war das nicht mehr als ein leiser Rülpser der Natur. 



So viel wie 615 besetzte Reisebusse, hat jemand errechnet

Es wird schlimmer kommen, sagt Reinhold Messner. Er hat zweifelsfrei recht. Und dass es so schnell Fahrt aufnimmt, was da kommen wird, ist dem Klima geschuldet. „Der Papst und Reinhold Messner“, so war im „Spiegel“ zu lesen, „sehen im tödlichen Gletscherabbruch in den Dolomiten eine Folge der Klimakrise“. Sie stehen mit ihrer Meinung offenbar nicht allein da. Wir alle beobachten das seit Jahrzehnten. Am Kangchendzönga in Nepal, 1998 zusammen mit Hans Kammerlander, hatten wir jeden Tage derartige Lawinen und Eisbrüche. Wohl allesamt größer als dieses Ereignis nun. Auch am Everest 2001 habe ich praktisch jeden Tag Lawinen von wuchtigem Ausmaß fotografiert. Doch da waren eben nie Menschen in der Nähe. Bis zum dem Tag, an dem am 18. April 2014 unter der Westschulter des Everest ein Serac brach und 16 Klettersherpa nur noch tot aus den Spalten und Löchern geborgen werden konnten. Die Eismassen ließen den Menschen auch dort keine Chance. Eismassen, soviel wie 615 vollbesetzte Reisebusse, hat die National Geografic Society errechnen lassen. auch dieses Ereignis war unvorhersehbar. 


Wie ein riesiges Maul

Und nun blicken wir gleichermaßen erschüttert wie erstaunt in dieses riesige Loch im Gletscher der Marmolada. Man sieht es sogar vom Gipfel des Schwarzenstein in den Zillertaler Alpen mit bloßem Auge - in hundert Kilometern Entfernung. Es sieht aus, wie das aufgerissene Maul eines Haies. Dieses Loch wird bleiben. Wie ein eisiges Gedenken, wird es als Mahnmal selbst aus großer Entfernung lange so zu erkennen sein, wie es nun ist. Einer Wunde gleich. 


Die Zaungäste des Alpinismus sind ganz aufgeregt

Natürlich wurde auch jetzt wieder der Ruf laut, Berge müssten für Besteigungen gesperrt werden. Bestimme jedenfalls unbedingt. Groß ist die Aufgeregtheit bei all Jenen, die sonst nicht einmal Zaungäste sind im Alpinismus, die sich immer dann hervortun, wenn es bei der Formel 1 kracht oder eben in den Bergen ein epochales Ereignis eintritt. 


Selbstverständlich wird sich mit dem Klimawandel und mit weiteren solch folgenschweren Geschehnissen auch der Alpinismus wandeln. Doch die neuen Wege werden die Alpinisten sich schon selbst suchen. Die neue Generation, wird das Risiko und vor allem das Restrisiko neu bewerten. Das ist wohl auch notwendig. Die schneidende Diskussion dieser Tage ist es indes nicht. 


Das Leben ist lebensgefährlich

Scharfe Grate, lotrecht Wände und eben auch die Gletscher sind das Faszinosum des Alpinisten. Manchmal, meistens sogar, ist das alles so ungefährlich, wie eine Straße, die man überquert. Manchmal jedoch ist das eine, wie das Andere potenziell gefährlich. Das Leben als solches ist lebensgefährlich. 


Reinhold Messner hat schon recht, wenn er sagt: Nicht vorhersehbar, auch nicht zehn Minuten vorher, aber nicht außergewöhnlich und es wird sich wiederholen. 


Und dort oben thront still und nun wieder schweigend die Marmolada – die ramponierte Königin.

Walther Lücker, Text-Werkstatt

von Walther Lücker 13 Juli, 2021
Wollen Sie wirklich wissen, wie Google funktioniert? Echt jetzt? Da müssten Sie halt noch ein wenig lesen. Ich will versuchen, Ihnen dieses doch komplexe Thema auf möglichst unterhaltsame Weise näher zu bringen. Sie glauben nicht, dass das geht? Ich habe es versucht und mein Bestes gegeben. Entscheiden Sie einfach selbst. Ich hab das ein paar Freunde lesen lassen. Die fanden das alle cool. Aber es waren halt auch Freunde, die würden natürlich nicht sagen, das war Mist... Also, Google ist eigentlich nichts anderes als eine Zeitung. Ein mega-dickes, fettes Magazin. Ein gigantisches Nachschlagewerk. Es gibt praktisch nichts mehr, was man dort nicht finden kann. Es gibt da natürlich auch viel Schrott. Wie im richtigen Leben. 80 Prozent aller Wege ins Internet beginnen ihren ersten Schritt mit Google. Denn wenn jemand etwas in der virtuellen Welt sucht , dann wird er es mit Hilfe von Google finden. Ohne wohl eher nicht. Geniale Erfindung. Google ist ein wahrer Segen Wenn Sie ein Unternehmen haben, wenn Sie Dienstleistungen erbringen oder Handwerk anbieten, im Tourismus tätig sind oder wenn Sie etwas herstellen - einfach ausgedrückt, wenn Sie etwas verkaufen wollen, wenn Sie einen Weg suchen, wie man am besten an anderer Leute Geld kommt, dann ist Google ein wahrer Segen. Ich traue mich zu wetten, wenn Sie das Prinzip von Google verstanden haben, wenn Sie verinnerlicht haben, dass sich auf diesem gigantischen Marktplatz die ganze Welt trifft, dann werden Sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Ihre "Ware" genau dort zu platzieren und zu präsentieren. Sie verkaufen Strickwaren? Rein damit ins Google! Sie verkaufen Hotelbetten in Kramat-Neusiedel? Rein damit ins Google! Sie sind Tischler? Ab zu Google, wenn Sie mit Gewinn tischlern wollen! Sie haben tolle Sonnenbrillen? Bei Google positionieren! Sie veranstalten einen Event? Hin zu Google, wenn die Bude voll werden soll! Das ist echt der Hammer Verstehen Sie wie das läuft? Wenn Sie populär werden wollen, wenn Sie mehr Leuten zeigen wollen, was Sie machen, dann müssen Sie zu Google. Also Sie müssen Mist Ihrem Angebot ins Internet. Und dort über Google gefunden werden. Wenn Sie Google anklicken und geben dort Walther Lücker ein, dann spuckt Google binnen 0,35 Sekunden aktuell 22.400 Ergebnisse aus. Cool oder? Sensationell könnte man auch sagen. In weniger als einer Sekunde hat Google die gesamte Welt des Internet nach meinem Namen durchforstet. Und Google hat gefunden. Ich bin echt berühmt. Finden Sie doch sicher auch. Hey 22.400 Einträge. Text, Fotos, Nachrichten, Zeitungsartikel, einfach alles. Das ist genial und richtig gut für's Ego. Also mir hat das schon gefallen, als ich das heute wieder gesehen habe. Ok, ich bin ehrlich. Nicht alle Einträge betreffen mich. Irgendwann steht da was über Menschen, die mal irgendwann etwas mit mir zu hatten oder die ich gar nicht kenne. Google kann auch nicht alles. Und uuuuuups, jetzt hab ich gerade Bill Gates eingegeben. Oh mein Gott. Der Mann spuckt 226.000.000 Ergebnisse aus. Immer ehrlich bleiben All diese Beiträge sind in einer Reihenfolge angeordnet. Und zwar nach Relevanz. Nicht ich, sondern Google entscheidet, was über mich wichtig ist. Ganz allein Google. Mit einer gigantischen Maschinerie. Dahinter stecken Algorithmen. Das ist echt kompliziert und würde auch zu weit führen. Ok, ich bin wieder ehrlich. Ich hab's selber nicht kapiert. Tatsache aber ist, das Google bestimmt, was wichtig ist. Bei mir steht, glaube ich, an erster Stelle mein Wikipedia-Eintrag. Juchuiii, ich habe einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Ok, ich bin auch da ehrlich. Den hat mal vor vielen Jahren mein Verlag angelegt, als wir zusammen das erste Buch gemacht haben. Aber es ist schön, so einen Eintrag zu haben. Und er steht an erster Stelle, weil Google findet, dass dieser Eintrag im Zusammenhang mit mir als Person die höchste Relevanz hat. Dass liegt an den vielen Rückverlinkungen, sogenannte Backlinks, die Wikipedia hat. Kompliziert, ich weiß. Ist halt so. Wikipedia wird so oft benutzt und hat so viele Backlinks, dass Google gar nicht anders kann, als die Wiki-Einträge überall an Platz Eins zu setzen. Ist Ihnen nie aufgefallen, dass in unglaublich vielen Fällen zuerst Wikipedia erscheint, wenn Sie nach einen Sachbegriff suchen. Das Beste überhaupt wäre, Sie hätten mit Ihren Business einen Wiki-Eintrag. Dann wären Sie immer und überall bereits oben angekommen. Aber es bekommt halt nicht jeder einen Eintrag dort. Bedauerlich, aber halt auch eine Tatsache. Also bestimmt weiterhin Google, wo Sie landen. Clevere Burschen in Kalifornien Aber – Achtung, jetzt wird es spannend – man kann die Reihenfolge der Suchergebnisse beeinflussen. Google ändert zwar ständig die Modalitäten und man muss verdammt clever sein, um die Burschen in Mountain View, Kalifornien zu überlisten. Haben Sie gewusst, dass Google, eine der wertvollsten Marken der Welt, dort den Hauptsitz hat? Geben Sie es zu, haben Sie nicht. Ich auch nicht. Ich dachte in Palo Alto, nicht weit weg von Los Angeles, wo auch Apple sitzt. Ich habs auch grad eben gegoogelt! Mountain View, Bergblick, sicher sehr cool. So möchte ich auch arbeiten. Doch ich sitze halt mitten im Dorf von Sand in Taufers in Südtirol. Aber das ist auch sehr nett. Jedenfalls kann man da was machen. Mit der Reihenfolge der Auflistung. Lange Zeit lief das Spiel über Key-Words. Dann hieß das Ad-Words. Die musste man kaufen. Wieso ist Google so reich? Na klar, weil die so clever sind wie Sie und ich. Wir verkaufen ja auch was wir haben, was wir produzieren, was wir können. Das ist doch das Normalste der Welt. Schimpfen Sie nur ja nicht mit mir, wenn ich eines Tages etwas in Rechnung stelle. Tun Sie doch auch. Von Words und Ranglisten Also, Key-Words, Ad-Words. Google hat seine Algorithmus-Maschinen über eine Homepage laufen lassen und schwups wurden bestimmte Begriffe erkannt. Diese Begriffe hat Google dann gefrühstückt, verarbeitet und zum Mittagessen ausgespuckt, dass auf meiner Homepage ziemlich exponiert in einer Überschrift steht "Text in Südtirol" (Sie erinnern sich, das ist der Schmäh von weiter oben). Aha, sagt Google sich, da bietet eine Internet-Seite "Text" an. Und das auch noch in "Südtirol". Schön. Setzen wir ziemlich weit rauf, sagt Google am Nachmittag. Und am Abend stehe ich auf Rang Eins in der Liste. Aber nur wenn jemand nach "Text in Südtirol" sucht. Schreibt man nur "Text" oder nur "Südtirol" kommt da ganz was anderes raus. Logisch, oder? Bis der Ball platzt Soweit, so gut. Oder schlecht. Denn meine Freunde bei den großen Agenturen auf der ganzen Welt haben mit diesen "Words" ein Fass aufgemacht, bis es übergelaufen ist. So wie der Weltfußballverband FIFA den Ball irgendwann so fest aufgepumpt haben wird, dass er platzt. Was der Ball der FIFA mit dem Thema zu tun hat? Nichts. Ist aber gut für Google, weil FIFA ein verdammt guter Suchbegriff ist. Noch besser als Kronplatz und Pian de Corones". Das erkläre ich Ihnen gleich näher. Das mit dem Ball aufpumpen hab ich 1994 mal in einem Kommentar zur FIFA-Fußball-Weltmeistgerschaft in den USA für eine wirklich große Zeitung geschrieben. Könnte also auch gut für die Suchmaschine sein, dass das hier steht. Wahrscheinlich. Vielleicht. Oder auch nicht. Man kann ja mal probieren. Die Words aus Key und Ad wurden solange und inflationär verwendet, bis auf meiner Homepage plötzlich stand "Text in Südtirol", "Text für Homepage Südtirol", "Text im Pustertal", "Text auf dem Kronplatz". Das ist natürlich Blödsinn. Das stand so nie auf meiner Homepage. So hätte ich ganz bestimmt nie meine Überschriften geschrieben. Nicht so. Nicht in der Penetranz. Aber viele Agenturen haben das so gemacht. Immer reichlich Words reingeknallt. Und Text in Verbindung mit "Kronplatz" macht sich sowie gut. Weil halt "Kronplatz", einer der meist-gegoogleten Begriffe Italiens ist. Also da heißt das dann natürlich "Pian de Corones". Wussten Sie das? Dass das so oft gegoogelt wird? Ist so. Glauben Sie mir. Plötzlich stand jedes dritte Hotel in Südtirol in der Nähe vom Kronplatz. Alle haben sie sich da angeschmiegt. Und wenn sie fünfzig Kilometer weit weg ihre Zimmer anboten. Bitte nicht nerven und langweilen Das hat Google genervt. Die sind ja nicht doof. Auch wenn das viele Agenturen immer noch nicht wahr haben wollen. Key-Words, Ad-Words und gute Titel machen sich immer noch gut. Keine Frage. Enorm wichtig. Aber sie müssen halt auch stimmen. Und sich nicht mit der Monotonie einer schleudernden Waschmaschine bis zum Drehwurm wiederholen. Key-Words sind wichtig. Denn man muss schon klar benennen, was man zu bieten hat. Vor allem wenn man gefunden werden will, in der riesigen Welt des Internets. Aber man sollte die Jungs in Kalifornien nicht auf den Arm nehmen oder sie mit ständigen Wiederholungen langweilen. Die merken das. Google lässt sich also längst nicht mehr alles gefallen. Hallo, die wollen v e r k a u f e n! Jetzt kommen Sie ins Spiel Nun nehmen wir einmal an, Sie sind ein Unternehmer. Sie backen, kreieren und verkaufen Kuchen. In einem netten Geschäft und mit einer ebenso netten Kundschaft. Doch es wäre ja schön, wenn das Kuchen-Geschäft noch ein bisschen angekurbelt würde. Wenn Sie ein bisschen mehr verkaufen könnten. Es wäre auch kein Problem, noch mehr Kuchen zu backen. Doch es wissen einfach nicht genug Menschen, dass Sie so guten Kuchen haben. Sie würden das gern bekannt machen. Aber wie? Genau. Ganz genau so, wie es oben steht. Man muss die Sache bewerben. Hm, denken Sie, man müsste mit dem Kuchen in die Zeitung. Die schreiben ja auch sonst über alles. Ok, wo ist die Nummer? Die von der Zeitung. Ich bin selbst mal so einer gewesen Jetzt kommen wir wieder auf die Zeitung zurück. Wenn Sie nun, ganz gleich, ob bei der Frankfurter Allgemeinen, der New York Times, der Gazetta della Sport, bei der ff oder den Dolomiten oder bei Ihrem Gemeindeblatt anrufen und fragen, ob sie dort wohl einen Artikel über Ihren Kuchen schreiben möchten, dann werden die Redakteure vielleicht zuhören - wenn sie freundliche Redakteure sind und nicht gerade genervt. Ich kenn mich da aus. Ich bin selbst Redakteur und war zwei Jahrzehnte bei einer wirklich ganz großen Zeitung in Deutschland beschäftigt. Meine Kollegen werden Sie also fragen, was besonderes an dem Kuchen ist. Und Sie werden sicherlich wahrheitsgemäß sagen, dass er halt gut ist, der Kuchen, und dass Sie ihn verkaufen in Ihrem tollen Geschäft. Ich hoffe, Sie haben ein tolles Geschäft.
Hans Kammerlander, Extrembergsteiger aus Südtirol
von Walther Lücker 09 März, 2021
1997 trafen sich der Extrem-Bergsteiger Hans Kammerlander und der Journalist Walther Lücker in Südtirol und verabredeten eine gemeinsame Expedition zum Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, an der Grenze zwischen Nepal und dem indischen Bundesstaat Sikkim. Im Verlaufe dieser Expedition recherchierte und schrieb Walther Lücker die ersten drei Kapitel von Kammerlander späterem Bestseller "Bergsüchtig".
von Walther Lücker 25 Juni, 2015
Tja, was soll ich jetzt noch sagen. Es ist diese Sache mit dem Schutzengel. Gunild hat eine starke Augenentzüdung und wir haben heute Morgen beschlossen, sie zum Arzt zu bringen. Der sitzt im Rahmen eines internationalen Himalaja-Hilfsprojektes in Pheriche. Das ist kaum drei Kilometer Luftlinie und etwa 45 Gehminuten von hier. Eigentlich wollten wir alle zusammen dorthin gehen. Ich habe einen guten Bekannten in Perhiche, den ich seit vielen Jahren kenne und in dessen Lodge wir meist wohnen. In diesem Jahr haben wir unseren Plan geändert und haben einen Teil des Akklimatisierungsprogrammes nach Dingboche verlegt. Mein Plan war, wir bringen Gunild zum Arzt, lassen sie anschauen und gehen dann in der Himalaja-Lodge essen und spazieren zusammen zurück. Inzwischen snd Gunild, Rai und Ina längst wieder hier. Ich habe derweil meine Sachen geordnet und die nächsten Tage in dieser so zauberhaften Gegend vorbereitet. Nun steht in Periche offenbar kaum mehr ein Haus. Die Himalayan-Lodge ist eingestürzt und wir hatten Glück, dass wir nicht um kurz vor zwölf, als hier die Erde mit einer Stärke von 7,8 auf der Richter-Skala bebte, in dieser Lodge beim Essen sassen. Von überall her in der Himalajaregion kommen nun immer neue Schreckensnachrichten. Wenn hier etwas funktioniert, dann ist es die Verbreitung von Nachrichten. Natürlich mag man nicht beurteilen ob und wie seriös all diese Meldungen sind. Doch: Die Himalajan-Lodge machte stets einen soliden Eindruck, auch und gerade, was den Baustil betraf. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was in anderen, ärmeren, weniger "modernen" Orten geschehen sein muss, wenn schon diese Lodge eingestützt ist. Eben diese Situationen betreffen die eingehenden Nachrichten... Ich denke, das Ausmass dessen, was hier geschehen ist, lässt sich zur Stunde wirklich nicht einmal erahnen, geschweige denn ermessen...
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