Walther Lücker Portrait Text Werkstatt Südtirol

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Was kostet eine Everest-Expedition?

Walther Lücker • Apr. 28, 2015

Zwischen Gerüchten und Wahrheiten, zwischen Eindrücken und Annahmen


28. April 2015

Es hat geregnet in der Nacht. Jetzt auch in den Bergregionen des Himalaja. Es ist der vierte Tag nach diesem Desaster. Nach diesem verheerenden Erdbeben in Nepal. Vielleicht gehört es ja dazu, dass der Himmel seine Schleusen öffnet. Wir haben Bilder gesehen. Ein paar Minuten im Internet. Oder Downloads anderer Bergsteiger, denen wir begegnen. Wir haben hier kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitungen. Es funktioniert nichts mehr. Es gibt nur das, was mündlich berichtet wird, was man mühselig an Nachrichten, Meldungen, Vermutungen und vor allem Spekulationen zusammentragen kann. manchmal gibt es Internet. Wenn wir Glück haben und lange genug warten. Und zahlen.

Die Bilder, die wir gesehen haben, sind schlimm. Es sind die Bilder, die die westliche Welt mit den modernen Kommunikationsmöglichkeiten längst kennt. Irgendjemand hat erzählt, dass N24 fast 30 Stunden non stop berichtet haben soll. Die Bilder indessen haben schockiert. Sie zeigten Menschen, auch und vor allem in Nepals Hauptstadt Kathmandu, die sich nicht mehr in ihre Häuser trauen und zu Tausenden auf der Straße schlafen. In Monjo, dort ist Pemba Sherpa daheim, der in meinem Buch über den Mount Everest eine wichtige Rolle hat, haben sich die knapp hundert Einwohner auf einem Heliport versammelt, um dort zu übernachten. Zwei Dokumente nur, doch offenkundig Anzeichen nackter Angst. Pemba hat das erzählt, denn er baut in Dingboche gerade eine neue Lodge. Er ist also hier, bei uns. Seine Frau und die Tochter sind in Monjo. Was sie berichten, erschreckt Pemba.
 
Das Internet ist die einzige Verbindung nach "draußen". Wenn es denn einmal für ein paar Minuten wirklich funktioniert und nicht mit kleinen, sich drehenden Buttons, nur so tut als ob. 

Wir sind nach wie vor in Dingboche. Dort hat normalerweise fast jedes Haus eine WLAN-Verbindung. Der Umsetzter steht auf der anderen Seite des Tales, oben, im Basislager der Ama Dablam. Doch ist bei dem Beben die Batterie zerstört worden. "Kein Netz" oder "Netzwerkfehler" steht nun auf den Displays der Smartphones und Tabletts. Einen Satellitenanschluss gibt es in Dingboche. Nur einen Steinwurf von uns entfernt. Doch ich mag da eigentlich gar nicht mehr hin gehen. Denn meist ist es dort, in einem rudimentären Raum mit wackligen Plastiktischen restlos überfüllt. Und die Preise sind ins Uferlose geschossen. Eine halbe Stunde nach dem Beben kostete eine Stunde noch 200 Rupien, das sind bei dem extrem schlechten Wechselkurs in diesem Jahr, etwas mehr als zwei Euro. Inzwischen kostete die halbe Stunde tausend Rupien. US-Amerikanern haben sie 1,50 Dollar für die Minute abgeknöpft. Und wenn man dann zähneknirschend gezahlt hat, dann bleiben von der halben Stunde kaum ein paar Minuten, in denen es wirklich halbwegs funktioniert. Vorlasse. Selbstverständlich. Gestern hat es zwanzig Minuten gedauert, bis eine Mini-Mail draußen in der Welt war. 
 
Es gehört zum journalistischen Alltag auch über Katastrophen und katastrophale Ereignisse zu berichten. Das ist nicht angenehm und oft sehr berührend, es ist allerdings unsere Aufgabe. Doch ist es ein ganz erheblicher Unterschied, ob man zu einem Ereignis hinkommt, wenn es bereits passiert ist, oder ob man dort ist, wenn es gerade geschieht, wenn man sozusagen Teil des Ganzen ist. Das macht einen ganz erheblichen, qualitativen Unterschied aus, denn es verringert deutlich die Distanz. Als Teil des Ganzen fehlt es an jenem Abstand, der journalistische Arbeit auf möglichst objektive Weise erst ermöglicht. In dieser Situation, so wie sie sich jetzt darstellt, fühlt sich vielleicht auch der abgezockteste Journalist betroffen. Und Betroffenheit vernebelt den Blick. 
 
Nein, ich schäme mich meiner Tränen nicht, als ich die eingestürzten Häuser in Pheriche und vor allem die vielen, zum Teil sehr schwer verletzten Bergsteiger aus dem Basislager des Mount Everest gesehen habe. Als man sie mit primitivsten Mitteln, auf Holzbrettern liegend, auf Plastikstühlen zusammen gekauert, in Schlafsäcke eingehüllt  zu den Hubschraubern schleppte. 

Es hat einige Anfragen gegeben, dies alles für Zeitungen und das Radio zu berichten. Ich habe es nicht getan. Nicht, dass ich mich wegen dieser Entscheidung als schlechterer, weniger professioneller Journalist fühlen würde. Doch wie um Himmelswillen soll man mit Tränen in den Augen und betroffen von all dem, so schreiben, dass die eigenen Emotionen den Leser und Zuhörer nicht verwirren? Es gibt journalistische Formen (wie diese hier teilweise gewählte), die sind geeignet, solche Situationen zu beschreiben. Doch dafür interessiert sich in diesen Stunden wohl eher kaum eine Redaktionsstube... Da sind Fakten gefragt. Und belastbare Fakten bekommen wir kaum. Wirklich harte Fakten. Die Nachrichtensituation in den Bergen Nepals ist somit katastrophal. 
 


Es hat aufgehört zu regnen. Der Himmel ist blau. Himalaja-blau. Das ist ein so besonderes Blau, vielleicht fast so schön, wie daheim in Südtirol. Die Ama Dablam steht genau gegenüber unserer Lodge. Zum Greifen nah. Unvorstellbar schön. Ama bedeutet in der Sprache der Sherpa Mutter. Ama Dablam ist die Kette der Mutter. Treffender geht eine Beschreibung kaum.


Diese Internet-Bude ist eine Umschlagbörse für Informationen aller Art geworden. Gestern hat dort ein Spanier berichtet, er habe gehört, ein Sturm würde sich, vom indischen Subkontinent her, dem Himalaja nähern und sich dort dann austoben. Was soll man davon halten? Wie soll man damit umgehen? Wieder Angst haben? Wieder überlegen, ob Flucht nicht vielleicht doch die bessere Option ist? Gestern haben sie die ersten vier Toten aus dem Basislager nach Pheriche gebracht. Oben liegen weitere 14 Leichen. Das sind die Sherpa, die ums Leben gekommen sind.

 

Am Nachmittag kamen dann drei Sherpa einer internationalen Expedition aus dem Basislager hier an. Unter ihnen auch Mingma und Ngima. Erfahrene Climbing-Sherpa, die alle schon mehrfach mit ihren Klienten auf dem Gipfel des Everest standen. Mit ihnen drei Inder, einen kenne ich von Fotos, und ein Japaner. Alle auf der Jagd nach den Seven Summits, den sieben höchsten Gipfeln aller Kontinente. Der Everest ist sicher der schwerste Brocken in dieser inzwischen so begehrten Sammlung, die als Erster der US-amerikanische Öl-Milliardär Dick Bass vervollständigte. Der Mount Everest und diese monströse Lawine, die 18 Bergsteigern das Leben nahm, ist weiter das beherrschende Thema zu Füßen des Everest. Natürlich ist das, vielleicht gerade auch, weil es so weit weg ist von Kathmandu, soweit entfernt von all dem anderen Elend. Vielleicht ist das ja auch eine Art der Verarbeitung solcher Ereignisse, ich habe jedenfalls noch nie zuvor Menschen im Angesicht von soviel Elend soviel lachen, kreischen und die eigenen Heldengeschichten hinausposaunen hören, wie diese vier Männer es an diesem Tag getan haben. Gut möglich, dass sie angesichts der eigenen Angst einfach nicht anders konnten. Die drei Sherpa saßen meist still da, servierten Essen und sprachen ganz leise. Es dauerte lange, bis sie ein paar wenige Sätze über diese Lawine verloren. Sie habe verheerende Wirkung gehabt und heftig genau die Stelle getroffen, an der sich der Khumbu-Gletscher mit seinen strahlend weißen Eismasse nach rechts, in Richtung Khumbu-Eisfall wendet. Ein begehrter Platz bei den Expeditionsleitern, denn diese Fläche ist relativ eben und liegt strategisch recht gut. Genau dorthin schossen die Eismassen, die sich hoch oben am Pumori in der Folge des starken Erdbebens als Serac gelöst und sich auf dem Weg nach unten zu einen todbringenden Gemengelage atomisiert hatte. Diese Eislawine schob eine mächtige Druckwelle vor sich her, die die Bergsteiger zuerst traf. Dann kam das Eis. Danach war es still. 

 

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich rund 350 Bergsteiger in den Lagern I und II oberhalb des Khumbu-Eisbruchs. Das war ihr Glück. Auch das Glück für die Mitglieder einer nepalischen Gorkha-Expedition. Die Gorkha sind als Krieger, als Soldaten berühmt geworden. Zweihundert Jahre wird ihre Vereinigung in diesem Jahr alt. Deshalb diese Expedition. Ein Beleg für Stolz und Mut sollte sie sein. Jetzt hat das alles keinerlei Bedeutung mehr für die Männer, deren bekannteste Waffe einst das Khukuri war, ein gebogenes, wuchtiges Messer , wie es heute viele Touristen als Andenken mitnehmen. Das Land der Ghorka, diese herrliche Region mit seinen schwer zugänglichen Mittelgebirgen, ist die am stärksten von dem Erdbeben betroffene Region in Nepal. Südlich vom Achttausender Manaslu gelegen. Wer denkt jetzt noch an eine Expedition zum Mount Everest, zum höchsten Berg der Erde? 

 

Doch der Mensch wäre nicht der Mensch, gäbe es in seinem Denken nicht so viele verschiedene Blickwinkel. Und der Everest ist eben nochmal ganz speziell. Viele Zelte im Basislager seien unbrauchbar, berichteten gestern Mingma und Ngima, die beiden Sherpa. Die Daunen-Jacken und die Schlafsäcke, Ausrüstungsgegenstände und Teile moderner Abenteuerlust seien hunderte Meter von der Lawine vertragen oder verschüttet worden. Ihre vier Klienten, jene drei Inder und der Japaner, sagten frohen Mutes, dass sie fest darauf hofften, ihre Bestrebungen fortsetzen zu können, Mitte Mai eine Höhe von 8848 Meter und damit den Gipfel zu erreichen. Sie seien nur aus einem Grund nach Dingboche gekommen - "killing the Time". 

 

Die Zeit totschlagen? Ja, bis im Basislager eine Entscheidung getroffen sei, ob es denn weitergehe. Doch wer entscheidet das? Die Bergsteiger im Basislager stehen vor fast der gleichen Situation wie im vergangenen Jahr, als bei einem Eisschlag im Khumbu-Eisfall 16 Sherpa ums Leben kamen, während sie damit beschäftigt waren, die Route für hunderte, wartende Berg-Touristen mit Fixseilen, Eisschrauben und Leitern vorzubereiten. Nun hat es wieder vor allem die Sherpa getroffen. Zum Zeitpunkt der ursächlich zusammenhängenden Ereignisse eines Erdbebens und einer dadurch ausgelösten Lawine, befanden sich rund 920 Bergsteiger, Sherpa und Helfer anderer nepalischer Ethnien im Basislager und in den Flanken des Berges. Nicht Wenige sagen, dass alles hätte noch viel schlimmer ausgehen können. Genau Jene aber, die das sagen, stehen jetzt vor der Frage: Und nun? Kann man angesichts von 18 aufgebahrten Leichen noch weiter am Everest klettern? Ist es nicht allein die Frage des Respektes, die darüber entscheidet? Im Vorjahr verschanzten sich die Sherpa hinter den schlechten Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen. Schlechter Versicherungsschutz vor allem, aber auch Geringschätzung ihrer gefährlichen Arbeit. 

 

Die Bedingungen wurden teilweise verbessert und die Weltöffentlichkeit hat wohl verstanden, um was es den Sherpa geht. Was oder Wer also wird in diesem abermals verheerenden Frühjahr die Entscheidungen über den Fortgang am Mount Everest begünstigen oder fällen. Der kleine Japaner krähte lauthals, man warte nun auf eine Entscheidung der nepalischen Regierung. Aha. Er weiß das von Mingma, seinem leitenden Sherpa. Und der weiß es, weil es wohl nur so sein kann. Im Basislager arbeiten über 400 Männer vom Volk der Sherpa. Diese mit einer mehrheitlichen, demokratisch herbei geführten Entscheidung unter einen Hut zu bringen, ist schier unmöglich. Das hat schon das Vorjahr gezeigt. Das viele Geld, das bei den Expeditionen umgesetzt wird, wird wohl maßgeblichen Anteil an den Entscheidungen haben - eine Besteigung kostet je nach Ausstattung, Komfort und Sicherheitsmaßnahmen zwischen 30.000 und 85.000 US-Dollar (Stand Frühjahr 2015). Vor diesem Hintergrund mag man dem Gedanken leicht folgen, dass da Moral, Respekt und vielleicht sogar Anstand keinen Platz mehr haben. Die nächsten Tage werden zeigen, was aus den drei Indern, dem Japaner, Mingma, Nima und all den hunderten Bergsteigern wird, die am Fuß von "Chomolungma" der "Muttergöttin der Erde" ausharren. Außerirdisch ist man versucht zu sagen...

 

Strahlender Sonnenschein inzwischen. Der Berge stehen unverrückbar vor uns. Die Ama Dablam, der Island Peak, der Lhotse mit seiner tiefschwarzen Südwand. Drüben liegt ein riesiger Haufen Steine. Wenn man es nicht besser wüsste , müsste man glauben, ein Haus sei eingestürzt. Doch ein gutes Dutzend Arbeiter bauen dort seit Monaten an einem neuen Haus. Jeder Stein wird einzeln mit der Hand, mit Hammer und Meißel behauen. Je exakter dies geschieht, umso standfester ist das Haus. Es gibt fast keinen Zement. Den Halt in den Ritzen, die zwangsläufig beim Bau vorhanden sind, geben kleine, dazwischen geschobene Felssplitter. Keile sozusagen. Auf das es nicht wackle und wanke. Da baut einer ein Haus - im strahlenden Sonnenschein und inmitten von all diesem Chaos. Nein, die Zeit wartet nicht. Dieses Erdbeben war verheerend. Als Ereignis und in seiner Auswirkung. Und doch, das wird vor allem klar, wenn man Ama Dablam, Lhotse oder Island Peak betrachtet, war das allenfalls ein kleiner Rülpser unserer Erdgeschichte.

 

Heute Nachmittag will der Präsident der oberen Regionen im Khumbu-Nationalpark sich an die nepalische Regierung und an die Medien wenden. Es seien, so berichtet er, schon bald hinter dem Flughafen in Lukla, hunderte  Trekkinggäste, verschreckten Wanderer, die von oben kamen, zur Umkehr bewogen worden. Es stünde im oberen Khumbu kein einziges Haus mehr, habe man ihnen erzählt, man könne da nicht sicheren Fußes hingehen, geschweige denn halbwegs komfortabel übernachten. Das aber stimme doch gar nicht, wundert sich der gute Mann, der in Dingboche eine Bäckerei mit wirklich köstlichem Kuchen betreibt. Recht hat er. Es ist viel zerstört worden, doch beileibe nicht alles. Es ist Hochsaison und das Wetter wird wohl offenbar jetzt immer stabiler. Gerüchte, Falschmeldungen, Vermutungen. Das Gift des Journalisten. Vielleicht wäre es besser, einfach nur die Klappe zu halten und das zu berichten, was zu sehen ist und was man vor allem selbst gesehen hat?! Doch es ist offenbar viel spannender, Augen, Mund und Ohren aufzusperren, wenn einer daher kommt und sagt, in Lukla säßen fast 2000 Bergsteiger und Wanderer fest, sie würden auf den Straße schlafen und am Flughafen in Zelten, damit sie am nächsten Morgen bei den Ersten seien, die sich um eines der wenigen Tickets balgen. 

 

Wir sitzen nach wie vor ganz weit oben in den Bergen. Wären nicht diese schrecklichen Ereignisse und die Bilder, die wir gesehen haben, wäre nicht dieses zigfache Hochschrecken in der Nacht, diese Angst, es könnte von Neuem beben, dieses Gefühl, unter einem bewege sich die Erde, obwohl doch gar nichts los ist, wenn all das nicht wäre, man müsste fast sagen: herrlich. Doch es ist nicht herrlich. Weil diese Angst latent vorhanden ist. Weil man versucht ist, an diesen angekündigten, angeblichen Zyklon zu glauben. Weil unendlich viele Menschen leiden. Weil wir Teil des Ganzen sind. Und weil wir noch immer nicht wirklich wissen, was wir machen sollen, was die beste Option von allen ist. Wir haben die Wahl. Somit sind wir frei. Doch was tun mit einer Freiheit, die so kostbar und doch manchmal fast unbrauchbar ist?

 

Gibt es Zeichen? Vor jeder meiner Touren im Himalaja habe ich in Bodnath den Stupa besucht und eines der Klöster. Dort fand dann eine kleine Puja statt. Das ist eine sehr unaufdringliche, sehr bescheidene buddhistische Zeremonie, bei der ein Lama die Götter um Beistand, Unterstützung und auch den Segen bittet. Man mag dazu stehen wie man will, auf jeden Fall ist das sehr schön, ein Moment des Innehaltens, der Einkehr und auch der Besinnung. Denn das alles ist schließlich nicht ganz ungefährlich. Der Himalaja ist ein großes, wuchtiges, in des Wortes Sinn ein überwältigendes Gebirge. Vielleicht deshalb gedeihen dort auch Glaube und das Vertrauen auf etwas Überirdisches besonders gut. Die allermeisten Menschen dort sind ihrem Glauben und ihrer Religion tief verbunden. In all den vielen Jahren hat mir stets ein Lama eine dünnes, farbiges Bändchen um den Hals geknüpft. Auch den Freunden und Bekannten, die mich begleiteten. Es möge schützen und bewahren. Doch es sei nicht das Jahr der Zerstörung hiess es stets, ich müsse keine Angst haben, es sei ein gutes Jahr für mein Vorhaben. Das waren Expeditionen mit Hans Kammerlander oder viele unvergessliche Trekkingtouren. In diesem Jahr hat der Lama, den ich nun seit so vielen Jahren kenne, mich lange angeschaut und dann ganz leise gemurmelt, ich möge vorsichtig sein, auf all meinen Wegen. Mehr sagte er diesmal nicht. Es war anders als sonst. Es fällt mir erst jetzt auf. Ein Foto im Internet zeigt, dass am Stupa in Bodnath hängt die Spitze schief und absturzgefährdet, schief hängt. Und nicht weit von hier, wo wir ausharren, hat sich die Erde mit einem deutlich sichtbaren, unnatürlichen Spalt geöffnet. Was ist nur geschehen? Es wird Zeit brauchen, bis wir begreifen.

 

Es hat geregnet vergangene Nacht. Dann schien die Sonne. Jetzt haben Wolken der Ama Dablam ein weisses Gewand umgelegt. Das verdammte Internet setzt schon wieder aus. Und die Zeit hält einfach nicht an.

Walther Lücker, Text-Werkstatt

Der Gletscherbruch an der Marmolada in den Dolomiten vom 3. Juli 2022
von Walther Lücker 08 Juli, 2022
In der Sekunde, als am 3. Juli 2022 die Natur an der Marmolada ihre Wucht und ihre zerstörende Gewalt entfesselte, konnte niemand ahnen, dass die Rettungskräfte im Laufe der folgenden Stunden und Tagen elf Todesopfer aus den Flanken bergen würden.
von Walther Lücker 13 Juli, 2021
Wollen Sie wirklich wissen, wie Google funktioniert? Echt jetzt? Da müssten Sie halt noch ein wenig lesen. Ich will versuchen, Ihnen dieses doch komplexe Thema auf möglichst unterhaltsame Weise näher zu bringen. Sie glauben nicht, dass das geht? Ich habe es versucht und mein Bestes gegeben. Entscheiden Sie einfach selbst. Ich hab das ein paar Freunde lesen lassen. Die fanden das alle cool. Aber es waren halt auch Freunde, die würden natürlich nicht sagen, das war Mist... Also, Google ist eigentlich nichts anderes als eine Zeitung. Ein mega-dickes, fettes Magazin. Ein gigantisches Nachschlagewerk. Es gibt praktisch nichts mehr, was man dort nicht finden kann. Es gibt da natürlich auch viel Schrott. Wie im richtigen Leben. 80 Prozent aller Wege ins Internet beginnen ihren ersten Schritt mit Google. Denn wenn jemand etwas in der virtuellen Welt sucht , dann wird er es mit Hilfe von Google finden. Ohne wohl eher nicht. Geniale Erfindung. Google ist ein wahrer Segen Wenn Sie ein Unternehmen haben, wenn Sie Dienstleistungen erbringen oder Handwerk anbieten, im Tourismus tätig sind oder wenn Sie etwas herstellen - einfach ausgedrückt, wenn Sie etwas verkaufen wollen, wenn Sie einen Weg suchen, wie man am besten an anderer Leute Geld kommt, dann ist Google ein wahrer Segen. Ich traue mich zu wetten, wenn Sie das Prinzip von Google verstanden haben, wenn Sie verinnerlicht haben, dass sich auf diesem gigantischen Marktplatz die ganze Welt trifft, dann werden Sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Ihre "Ware" genau dort zu platzieren und zu präsentieren. Sie verkaufen Strickwaren? Rein damit ins Google! Sie verkaufen Hotelbetten in Kramat-Neusiedel? Rein damit ins Google! Sie sind Tischler? Ab zu Google, wenn Sie mit Gewinn tischlern wollen! Sie haben tolle Sonnenbrillen? Bei Google positionieren! Sie veranstalten einen Event? Hin zu Google, wenn die Bude voll werden soll! Das ist echt der Hammer Verstehen Sie wie das läuft? Wenn Sie populär werden wollen, wenn Sie mehr Leuten zeigen wollen, was Sie machen, dann müssen Sie zu Google. Also Sie müssen Mist Ihrem Angebot ins Internet. Und dort über Google gefunden werden. Wenn Sie Google anklicken und geben dort Walther Lücker ein, dann spuckt Google binnen 0,35 Sekunden aktuell 22.400 Ergebnisse aus. Cool oder? Sensationell könnte man auch sagen. In weniger als einer Sekunde hat Google die gesamte Welt des Internet nach meinem Namen durchforstet. Und Google hat gefunden. Ich bin echt berühmt. Finden Sie doch sicher auch. Hey 22.400 Einträge. Text, Fotos, Nachrichten, Zeitungsartikel, einfach alles. Das ist genial und richtig gut für's Ego. Also mir hat das schon gefallen, als ich das heute wieder gesehen habe. Ok, ich bin ehrlich. Nicht alle Einträge betreffen mich. Irgendwann steht da was über Menschen, die mal irgendwann etwas mit mir zu hatten oder die ich gar nicht kenne. Google kann auch nicht alles. Und uuuuuups, jetzt hab ich gerade Bill Gates eingegeben. Oh mein Gott. Der Mann spuckt 226.000.000 Ergebnisse aus. Immer ehrlich bleiben All diese Beiträge sind in einer Reihenfolge angeordnet. Und zwar nach Relevanz. Nicht ich, sondern Google entscheidet, was über mich wichtig ist. Ganz allein Google. Mit einer gigantischen Maschinerie. Dahinter stecken Algorithmen. Das ist echt kompliziert und würde auch zu weit führen. Ok, ich bin wieder ehrlich. Ich hab's selber nicht kapiert. Tatsache aber ist, das Google bestimmt, was wichtig ist. Bei mir steht, glaube ich, an erster Stelle mein Wikipedia-Eintrag. Juchuiii, ich habe einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Ok, ich bin auch da ehrlich. Den hat mal vor vielen Jahren mein Verlag angelegt, als wir zusammen das erste Buch gemacht haben. Aber es ist schön, so einen Eintrag zu haben. Und er steht an erster Stelle, weil Google findet, dass dieser Eintrag im Zusammenhang mit mir als Person die höchste Relevanz hat. Dass liegt an den vielen Rückverlinkungen, sogenannte Backlinks, die Wikipedia hat. Kompliziert, ich weiß. Ist halt so. Wikipedia wird so oft benutzt und hat so viele Backlinks, dass Google gar nicht anders kann, als die Wiki-Einträge überall an Platz Eins zu setzen. Ist Ihnen nie aufgefallen, dass in unglaublich vielen Fällen zuerst Wikipedia erscheint, wenn Sie nach einen Sachbegriff suchen. Das Beste überhaupt wäre, Sie hätten mit Ihren Business einen Wiki-Eintrag. Dann wären Sie immer und überall bereits oben angekommen. Aber es bekommt halt nicht jeder einen Eintrag dort. Bedauerlich, aber halt auch eine Tatsache. Also bestimmt weiterhin Google, wo Sie landen. Clevere Burschen in Kalifornien Aber – Achtung, jetzt wird es spannend – man kann die Reihenfolge der Suchergebnisse beeinflussen. Google ändert zwar ständig die Modalitäten und man muss verdammt clever sein, um die Burschen in Mountain View, Kalifornien zu überlisten. Haben Sie gewusst, dass Google, eine der wertvollsten Marken der Welt, dort den Hauptsitz hat? Geben Sie es zu, haben Sie nicht. Ich auch nicht. Ich dachte in Palo Alto, nicht weit weg von Los Angeles, wo auch Apple sitzt. Ich habs auch grad eben gegoogelt! Mountain View, Bergblick, sicher sehr cool. So möchte ich auch arbeiten. Doch ich sitze halt mitten im Dorf von Sand in Taufers in Südtirol. Aber das ist auch sehr nett. Jedenfalls kann man da was machen. Mit der Reihenfolge der Auflistung. Lange Zeit lief das Spiel über Key-Words. Dann hieß das Ad-Words. Die musste man kaufen. Wieso ist Google so reich? Na klar, weil die so clever sind wie Sie und ich. Wir verkaufen ja auch was wir haben, was wir produzieren, was wir können. Das ist doch das Normalste der Welt. Schimpfen Sie nur ja nicht mit mir, wenn ich eines Tages etwas in Rechnung stelle. Tun Sie doch auch. Von Words und Ranglisten Also, Key-Words, Ad-Words. Google hat seine Algorithmus-Maschinen über eine Homepage laufen lassen und schwups wurden bestimmte Begriffe erkannt. Diese Begriffe hat Google dann gefrühstückt, verarbeitet und zum Mittagessen ausgespuckt, dass auf meiner Homepage ziemlich exponiert in einer Überschrift steht "Text in Südtirol" (Sie erinnern sich, das ist der Schmäh von weiter oben). Aha, sagt Google sich, da bietet eine Internet-Seite "Text" an. Und das auch noch in "Südtirol". Schön. Setzen wir ziemlich weit rauf, sagt Google am Nachmittag. Und am Abend stehe ich auf Rang Eins in der Liste. Aber nur wenn jemand nach "Text in Südtirol" sucht. Schreibt man nur "Text" oder nur "Südtirol" kommt da ganz was anderes raus. Logisch, oder? Bis der Ball platzt Soweit, so gut. Oder schlecht. Denn meine Freunde bei den großen Agenturen auf der ganzen Welt haben mit diesen "Words" ein Fass aufgemacht, bis es übergelaufen ist. So wie der Weltfußballverband FIFA den Ball irgendwann so fest aufgepumpt haben wird, dass er platzt. Was der Ball der FIFA mit dem Thema zu tun hat? Nichts. Ist aber gut für Google, weil FIFA ein verdammt guter Suchbegriff ist. Noch besser als Kronplatz und Pian de Corones". Das erkläre ich Ihnen gleich näher. Das mit dem Ball aufpumpen hab ich 1994 mal in einem Kommentar zur FIFA-Fußball-Weltmeistgerschaft in den USA für eine wirklich große Zeitung geschrieben. Könnte also auch gut für die Suchmaschine sein, dass das hier steht. Wahrscheinlich. Vielleicht. Oder auch nicht. Man kann ja mal probieren. Die Words aus Key und Ad wurden solange und inflationär verwendet, bis auf meiner Homepage plötzlich stand "Text in Südtirol", "Text für Homepage Südtirol", "Text im Pustertal", "Text auf dem Kronplatz". Das ist natürlich Blödsinn. Das stand so nie auf meiner Homepage. So hätte ich ganz bestimmt nie meine Überschriften geschrieben. Nicht so. Nicht in der Penetranz. Aber viele Agenturen haben das so gemacht. Immer reichlich Words reingeknallt. Und Text in Verbindung mit "Kronplatz" macht sich sowie gut. Weil halt "Kronplatz", einer der meist-gegoogleten Begriffe Italiens ist. Also da heißt das dann natürlich "Pian de Corones". Wussten Sie das? Dass das so oft gegoogelt wird? Ist so. Glauben Sie mir. Plötzlich stand jedes dritte Hotel in Südtirol in der Nähe vom Kronplatz. Alle haben sie sich da angeschmiegt. Und wenn sie fünfzig Kilometer weit weg ihre Zimmer anboten. Bitte nicht nerven und langweilen Das hat Google genervt. Die sind ja nicht doof. Auch wenn das viele Agenturen immer noch nicht wahr haben wollen. Key-Words, Ad-Words und gute Titel machen sich immer noch gut. Keine Frage. Enorm wichtig. Aber sie müssen halt auch stimmen. Und sich nicht mit der Monotonie einer schleudernden Waschmaschine bis zum Drehwurm wiederholen. Key-Words sind wichtig. Denn man muss schon klar benennen, was man zu bieten hat. Vor allem wenn man gefunden werden will, in der riesigen Welt des Internets. Aber man sollte die Jungs in Kalifornien nicht auf den Arm nehmen oder sie mit ständigen Wiederholungen langweilen. Die merken das. Google lässt sich also längst nicht mehr alles gefallen. Hallo, die wollen v e r k a u f e n! Jetzt kommen Sie ins Spiel Nun nehmen wir einmal an, Sie sind ein Unternehmer. Sie backen, kreieren und verkaufen Kuchen. In einem netten Geschäft und mit einer ebenso netten Kundschaft. Doch es wäre ja schön, wenn das Kuchen-Geschäft noch ein bisschen angekurbelt würde. Wenn Sie ein bisschen mehr verkaufen könnten. Es wäre auch kein Problem, noch mehr Kuchen zu backen. Doch es wissen einfach nicht genug Menschen, dass Sie so guten Kuchen haben. Sie würden das gern bekannt machen. Aber wie? Genau. Ganz genau so, wie es oben steht. Man muss die Sache bewerben. Hm, denken Sie, man müsste mit dem Kuchen in die Zeitung. Die schreiben ja auch sonst über alles. Ok, wo ist die Nummer? Die von der Zeitung. Ich bin selbst mal so einer gewesen Jetzt kommen wir wieder auf die Zeitung zurück. Wenn Sie nun, ganz gleich, ob bei der Frankfurter Allgemeinen, der New York Times, der Gazetta della Sport, bei der ff oder den Dolomiten oder bei Ihrem Gemeindeblatt anrufen und fragen, ob sie dort wohl einen Artikel über Ihren Kuchen schreiben möchten, dann werden die Redakteure vielleicht zuhören - wenn sie freundliche Redakteure sind und nicht gerade genervt. Ich kenn mich da aus. Ich bin selbst Redakteur und war zwei Jahrzehnte bei einer wirklich ganz großen Zeitung in Deutschland beschäftigt. Meine Kollegen werden Sie also fragen, was besonderes an dem Kuchen ist. Und Sie werden sicherlich wahrheitsgemäß sagen, dass er halt gut ist, der Kuchen, und dass Sie ihn verkaufen in Ihrem tollen Geschäft. Ich hoffe, Sie haben ein tolles Geschäft.
Hans Kammerlander, Extrembergsteiger aus Südtirol
von Walther Lücker 09 März, 2021
1997 trafen sich der Extrem-Bergsteiger Hans Kammerlander und der Journalist Walther Lücker in Südtirol und verabredeten eine gemeinsame Expedition zum Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, an der Grenze zwischen Nepal und dem indischen Bundesstaat Sikkim. Im Verlaufe dieser Expedition recherchierte und schrieb Walther Lücker die ersten drei Kapitel von Kammerlander späterem Bestseller "Bergsüchtig".
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