Walther Lücker Portrait Text Werkstatt Südtirol

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Die Gesichter Nepals

Walther Lücker • Mai 09, 2015

Ein Mann, ein See, Inder und Chinesen, Nächte im Freien und ein Swimmingpool

Stupa von Bodnath, Kathmandu, Nepal, 2015

09. Mai 2015

Ja, wir sind gestern (Freitag) wohlbehalten nach Kathmandu zurück gekehrt. In die Stadt, in der vor über drei Wochen alles begann und in der nun nichts mehr so ist, wie es war, bevor wir nach Lukla und ins Khumbu-Tal geflogen sind, bevor auch wir von diesem wuchtigen Beben und seinen mächtigen Auswirkungen überrascht und schockiert wurden. 

Doch: Ist das wirklich so? Ist hier wirklich nichts mehr so, wie es gewesen ist? Vieles von dem, was ich in den vergangenen 24 Stunden in Nepals Hauptstadt gesehen habe, vermittelt fast den Eindruck, als habe es hier nicht ein Erdbeben, als habe es hier nie dieses Desaster gegeben. In Thamel, dem touristischen Zentrum der Millionen-Metropole haben ein paar Häuser Risse, an manchen Stellen ist eine Mauer eingestürzt. Doch das Leben dort geht fast seinen gewohnten Gang. Das übliche Chaos. Verwickelte Stränge aus Kabeln über den Köpfen und unten wird um jede Rupie gefeilscht. Steinhaufen, aufgerissene Straßen, Baustellen, bei denen keine Bewegung zu sein scheint – all das hat es vor drei Wochen auch schon gegeben. Die Straßenhändler eifern mit den Ladenbesitzern wechselseitig um die Gunst der Kunden. Kunden? Welche Kunden? 
 
Spätestens dann ist man mittendrin. Und erkennt, dass eben doch vieles anders ist. 
 
Immer wieder neue Nachbeben, Angst und Schrecken
Es gibt nicht mehr viele Kunden, die bereit sind, etwas zu kaufen. Die allermeisten Touristen, Bergsteiger, Wanderer, Kulturreisenden sind Hals über Kopf aus Nepal geflohen. Mit den Sondermaschinen, die ihre Länder ebenso rasch geschickt haben, wie dieses Erdbeben über das kleine Land unter den höchsten Bergen der Erde kam. Niemand wollte mehr bleiben, als die Erde wankte und vieles zum Einsturz brachte. Niemand wollte sich das antun, immer neue Nachbeben zu erleben, inzwischen sind an die 150 gezählt worden. 
 
Verena Westreicher, gebürtige Tirolerin aus Serfaus und wirklich eine Seele von einem Menschen, betreibt in Thamel seit über zwanzig Jahren eine kleine Bar. Sam's Bar ist eine Top-Adresse unter Bergsteigern, Kletterern und Ausgeflippten. Genau gegenüber, wo man früher, bevor es brannte, bei Pilgrims, tolle Bücher kaufen konnte. Verena Westreicher lag nach einem anstrengenden Arbeitstag und einer kurzen Nacht noch im Bett, als an jenem Samstag vor zwei Wochen zu MIttag die Erde in Bewegung geriet. Es dauerte, bis sie begriff, was da überhaupt geschah. Sie kam nicht einmal aus ihrem Schlafzimmer heraus, weil sie die Tür nicht mehr aufbrachte. 
 

Drei angstvolle Tage im Freien

Als schließlich alles vorbei war, schlief sie drei Tage und Nächte mit ihrer Familie und hunderttausenden anderen Menschen weit draußen, vor den Toren Kathmandus, im Freien. Dann kehrte sie zurück in die Stadt. "Was hätten wir auch anderes machen sollen? Ich habe meine Bar wieder aufgemacht und versuche seitdem, ein normales Leben zu führen. Nochmal: Was hätte ich auch anderes machen sollen." Das fragt auch der Mitarbeiter im bekannten "New Orleans". Er bewirtet gerade ein paar Expeditionsbergsteiger aus Polen. Sie gehören zu den letzten Touristen, die noch vor dem Beben in Nepal ankamen. Neue kamen danach nicht mehr hinzu. Die meisten Reisen wurden storniert. "Doch es muss irgendwie weiter gehen. Kann nicht jemand den Menschen da draußen erzählen, dass es schlimm ist was passiert ist, doch wir sind in der Lage, hier vieles auch wie gewohnt weiter zu machen", sagt der Kellner im New Orleans 

 

Und nun stehen die Nepali fast händeringend vor uns und fragen: "Warum berichten die Medien so einseitig? Warum gibt es nur schreckliche Bilder von dieser Kathastrophe?" Das sind Fragen mit Berechtigung. Ich habe gestern Abend spät ein wenig im TV "gezappt". Im indischen Nachrichtensender die immer gleichen Bilder, Szenen, die nun über zwei Wochen alt sind. Szenen von Plätzen, an denen die Trümmer längst weggeräumt wurden. Szenen von Menschen, die schreiend aus ihren Häusern hetzen. Zwei Wochen alt. Selbst im nepalischen Fernsehen, nur die immer gleichen Bilder aus Kathmandu und den Bergregionen. In den allermeisten europäischen und US-Sendern ist Nepal längst keine Spitzenmeldung mehr. Die Erde hat sich weiter bewegt. Nur in Nepal steht sie irgendwie noch immer auf gewisse Weise still. 

Viel ist zerstört - vieles steht noch 

Tatsache ist: Es gibt viele Stadtteile in Kathmandu, viele Dörfer in den Mittelgebirgen unter dem Himalaja und viele Ortschaften droben in den Bergen, die fast unberührt geblieben sind. In denen es, wie erwähnt, aussieht, als habe es nie ein Beben gegeben. Wir sind vom Khumbu aus über das Land geflogen. Vergleichsweise tief über die Hügellandschaften. Dort sah man fast keine eingestürzten Häuser. Anderswo wurde viel, wenn nicht gar alles zerstört oder zumindest wegen Einsturzgefahr unbewohnbar. Man muss das jedoch deutlich differenzieren. 

 

Keine Frage, diese Katastrophe ist vielerorts in diesem Land ein Naturereignis mit wirklich fatalen Folgen für die Menschen und ihren wenigen Besitz. Es wird Jahre dauern, bis die Schäden beseitigt sind. Hilfe aus der ganzen Welt ist eingetroffen. In den Straßen Thamels sind sie in Scharen unterwegs, die Helfer von den Organisationen vieler Nationen. Sie tragen die Westen, T-Shirts und Jacken mit den riesigen Aufnähern "Rescue", "Medical-Team" oder "Live-Search" unübersehbar und plakativ vor sich her. Was die Frage aufwirft: Was machen die hier alle in der Stadt und in einem Stadtteil, in dem nichts passiert ist? Sightseeing? Shopping? Kaffeepause? Warum sind die nicht draußen bei den Menschen, die sie so nötig brauchen. Bei den Menschen in Gurkha, in Manang, in Rolwaling, in Langtang. Dort sind Menschen noch immer eingeschlossen und niemand hilft ihnen. Man liest nur die stummen Hilferufe in Facebook. 

 

So viele Menschen haben kein Dach mehr über dem Kopf

Gestern Abend habe wir einen Mitarbeiter unseres Hotels getroffen, der seit über 10 Jahren im "Greenvich Village" angestellt ist. Er wohnt knapp 90 Kilometer von hier in einem Dorf in Richtung Solo Khumbu, in Richtung Jiri. Nicht weit weg von Kathmandu also und doch noch nicht weit oben in den Bergen. Der Mann hat alles verloren. In seinem Dorf, sagt er mit traurigen Augen, stehe kein einziges Haus mehr. Er zeigt uns Bilder. Alles, was er für sich, seine Familie, die Kinder, seine Frau, die Schwiegereltern, seine eigenen Eltern geschaffen habe, ist weg. 5000 Menschen haben dort ihr Dach über dem Kopf verloren. Ob die Hilfe schon angekommen sei? "Nein, bei uns war niemand. Wir haben keinen Reis mehr und kein sauberes Wasser. Es ist schrecklich". Er kommt gerade von da. Eigentlich wollte er bleiben, doch er will und muss Geld verdienen. Geld verdienen mit einem skeptischen Blick in die Zukunft. Was soll denn nun werden? Er weiß, dass das Leben weiter gehen wird. Über die Hilfsorganisationen mag er nicht reden, "die finden uns ja nicht mal". 

 

Als wir, von Lukla kommend, in Kathmandu gelandet sind, habe ich dort ein Bild in mir aufgenommen, das mich überrascht hat. Da standen Seit an Seit wirklich riesige Hubschrauber des indischen und chinesischen Militärs. Sonst undenkbar, das Militär zweier zerstrittener Atommächte so dicht beieinander. Diese humanitäre Katastrophe in Nepal eint offenbar, was ansonsten so gar nicht zusammen passen mag. 

Es heißt, am Flughafen von Kathmandu lagerten tonnenweise Hilfsgüter und niemand transportiere sie ab. Ersteres belegt der Lokalaugenschein. Zweiteres ist schwer zu beweisen, denn die schweren Fluggeräte werden beladen. Und sie fliegen. Sie donnern oft im Minutentakt im Tiefflug über die Stadt. Ganz so als wollten die Piloten auf ihrem gefährlichen Flug in die entlegenen Bergregionen zeigen: Seht her, wir sind hier und wir tun etwas. 

 

Was kommt wo an im Land der Korruption?

Genau das werden die ganz großen Probleme Nepals in der näheren und ferneren Zukunft sein. In dem Land gibt es nicht viele Straßen. Mehr als zwei Drittel der Fläche sind schwer zugängliche Bergregionen, in denen sämtliche Waren und Güter von Menschen, Maultieren oder Yaks getragen werden. Alles. Einfach alles. Wer will da sicherstellen, dass die Dinge dort ankommen, wo sie hingehören und wo sie benötigt werden? Und dann die allgegenwärtige, widerliche Korruption in diesem Land. Ohne geht hier ja fast nichts. Und natürlich haben die Ersten schon wieder damit begonnen, aus der Not und all dem Elend ein Geschäft zu machen. Natürlich bekommt man in Kathmandu leichter ein Zelt, wenn man Beziehungen und ein bisschen Geld hat, als wenn man warten muss, bis ein Mitarbeiter von einer Hilfsorganisation daher kommt. 

 

1,2 Millionen Menschen haben die Stadt verlassen. Kathmandu wirkt mancherorts wie ausgestorben. Einige Stadtteile, in denen das Beben erhebliche bis hin zu totalen Schäden angerichtet hat, sind vom Militär nach wie vor fast hermetisch abgeriegelt. Niemand, der dort nichts "verloren" hat, soll dort hinein. Und das ist wahrscheinlich auch gut so. Wer irgendwie konnte, ist aufs Land hinaus geflohen. Der Besitzer unserer Lodge in Lukla, eigentlich kein furchtsamer Mann, hat seine gesamte Familie aus Kathmandu zu sich geholt. Er wollte sie in Sicherheit wissen und möglichst weit weg von all dem Chaos. Nun wohnen sie alle bei ihm. 18köpfig, mit Kind und Kegel. Einige hat Lakpa seit Jahren nicht gesehen. Ein ungewolltes, aber durchaus segensreiches Familientreffen. 

 

Wasser und immer mehr Wasser staut sich in Rolwaling

In Rolwaling hat gestern wieder die Erde gebet. Über Fünf auf der Richterskala. Es hat erneut große Schäden gegeben. Dort stehe, so heißt es, nun praktisch gar kein Haus mehr aufrecht. Bei Mingma Sherpa habe ich einen verzweifelten Aufruf gesehen. Seine Familie sei zwar am Leben, doch die meisten Dörfer in dieser zauberhaften Region seien fast vollständig zerstört. Hilfe von außen? Auch hier Fehlanzeige. Sagen die Betroffenen. Doch es geht immer noch schlimmer. Der Gletschersee Tsho Rolpa, flächenmäßig einer der größten in den gesamten nepalischen Himalajabergen, droht zu brechen. Die beiden großen Brücken, die den Fluß in fast sechzig Metern Höhe überqueren helfen, sind bereits unter Wasser und immer mehr Wasser staut sich auf. Mingma befürchtet, dass die ungeheuren Wassermengen das gesamte Rolwaling überfluten und in der Folge große Teile Nepals unter Wasser setzten könnten. Schwer zu sagen, ob das möglich wäre. Doch alle diese Befürchtungen versetzen die Menschen schon wieder in Angst und Schrecken. 

 

Während ich diese Zeilen schreibe, ist der Himmel über Kathmandu bewölkt. Es ist schwül warm. Es hat seit dem Samstag vor zwei Wochen über 150 Nachbeben gegeben. Überall im Land. Größere und kleinere. Wir sitzen im zauberhaften Garten unseres Hotels. Es gibt Kaffee soviel wir mögen. Heute Nachmittag hat uns mein treuer Freund Pd Rai zum Essen eingeladen. Bei sich daheim, in einem Vorort der Stadt. Sein kleines Haus hat auch Risse. Er will unbedingt einen Statiker kommen lassen. Doch die haben gerade überhaupt keine Termin mehr frei. Dal Bad wird es geben. Das traditionelle nepalische Gericht. 


Drüben, an einem anderen Tisch in diesem schönen Garten, findet ein Koordinationsmeeting mehrerer Hilfsorganisationen aus aller Welt statt. An vier Tischen hämmern außer mir noch andere Menschen auf ihren Tastaturen der Kleincomputer herum. Keine Ahnung, was die machen. Vielleicht auch Journalisten. Ich mag nicht mehr mit jemandem reden, der nicht Nepali ist. Zu viele Gerüchte, zuviel Halbwissen, zuviel Unsinn. 



Eine Flutwelle ergoss sich durch das gesamte Erdgeschoss

Ein kleines, niedriges Geländer trennt den Tisch, an dem ich sitze von einem Swimmingpool. Ein Mitarbeiter des Hauses reinigt gerade mit einer langen Stange und einem Netz das Wasser. Doch der Pool, so groß wie zwei Volleyball-Felder und fast zwei Meter tief, ist allenfalls noch zu einem Viertel gefüllt. Als in Kathmandu die Erde bebte, als wie in ruppigen Wogen im Boden alles in Bewegung geriet, schwappte dieser Pool über. Wie ein Topf voll Wasser. Die Flutwelle spülte durch das gesamte Hotel, setzte den Speisesaal unter Wasser und spülte dann Teile der Einrichtung auf der anderen Seite des Hauses wieder hinaus. Die Kellner haben mir ein Video gezeigt, dass ein Kollege geistesgegenwärtig aufgenommen hat. Sähe man das nicht selbst, man würde es kaum glauben. Wie ein gewaltige Woge schwappt das Wasser über den Beckenrand ins Hotel und richtig Straße wieder hinaus. Das Ganze dauert nur Sekunden.

 

Ein Swimmingpool, der über den Rand tritt. Ein See der überzugehen droht. Menschen die Weinen, weil das hier alles noch lang nicht vorbei ist. Menschen, die von ihrem Glück sprechen, überlebt zu haben. Ein Kellner, der alles verloren hat. Hilfsorganisationen, die nicht überall sein können und bisweilen dort erscheinen, wo man glaubt, dass sie gewiss nicht hingehören. Inder und Chinesen in einem unglaublichen Miteinander. Tonnen von Hilfsgütern. Millionen von Spenden. Die verzweifelten Bitten, Nepal auch an den Stellen zu zeigen, an denen es vollkommen intakt ist. Und eine Zeit, die einfach nicht stehen bleibt. Nicht für einen einzigen Moment. 

 

Nepal hat viele Gesichter. Doch das war ja schon immer so.

Walther Lücker, Text-Werkstatt

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Wollen Sie wirklich wissen, wie Google funktioniert? Echt jetzt? Da müssten Sie halt noch ein wenig lesen. Ich will versuchen, Ihnen dieses doch komplexe Thema auf möglichst unterhaltsame Weise näher zu bringen. Sie glauben nicht, dass das geht? Ich habe es versucht und mein Bestes gegeben. Entscheiden Sie einfach selbst. Ich hab das ein paar Freunde lesen lassen. Die fanden das alle cool. Aber es waren halt auch Freunde, die würden natürlich nicht sagen, das war Mist... Also, Google ist eigentlich nichts anderes als eine Zeitung. Ein mega-dickes, fettes Magazin. Ein gigantisches Nachschlagewerk. Es gibt praktisch nichts mehr, was man dort nicht finden kann. Es gibt da natürlich auch viel Schrott. Wie im richtigen Leben. 80 Prozent aller Wege ins Internet beginnen ihren ersten Schritt mit Google. Denn wenn jemand etwas in der virtuellen Welt sucht , dann wird er es mit Hilfe von Google finden. Ohne wohl eher nicht. Geniale Erfindung. Google ist ein wahrer Segen Wenn Sie ein Unternehmen haben, wenn Sie Dienstleistungen erbringen oder Handwerk anbieten, im Tourismus tätig sind oder wenn Sie etwas herstellen - einfach ausgedrückt, wenn Sie etwas verkaufen wollen, wenn Sie einen Weg suchen, wie man am besten an anderer Leute Geld kommt, dann ist Google ein wahrer Segen. Ich traue mich zu wetten, wenn Sie das Prinzip von Google verstanden haben, wenn Sie verinnerlicht haben, dass sich auf diesem gigantischen Marktplatz die ganze Welt trifft, dann werden Sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Ihre "Ware" genau dort zu platzieren und zu präsentieren. Sie verkaufen Strickwaren? Rein damit ins Google! Sie verkaufen Hotelbetten in Kramat-Neusiedel? Rein damit ins Google! Sie sind Tischler? Ab zu Google, wenn Sie mit Gewinn tischlern wollen! Sie haben tolle Sonnenbrillen? Bei Google positionieren! Sie veranstalten einen Event? Hin zu Google, wenn die Bude voll werden soll! Das ist echt der Hammer Verstehen Sie wie das läuft? Wenn Sie populär werden wollen, wenn Sie mehr Leuten zeigen wollen, was Sie machen, dann müssen Sie zu Google. Also Sie müssen Mist Ihrem Angebot ins Internet. Und dort über Google gefunden werden. Wenn Sie Google anklicken und geben dort Walther Lücker ein, dann spuckt Google binnen 0,35 Sekunden aktuell 22.400 Ergebnisse aus. Cool oder? Sensationell könnte man auch sagen. In weniger als einer Sekunde hat Google die gesamte Welt des Internet nach meinem Namen durchforstet. Und Google hat gefunden. Ich bin echt berühmt. Finden Sie doch sicher auch. Hey 22.400 Einträge. Text, Fotos, Nachrichten, Zeitungsartikel, einfach alles. Das ist genial und richtig gut für's Ego. Also mir hat das schon gefallen, als ich das heute wieder gesehen habe. Ok, ich bin ehrlich. Nicht alle Einträge betreffen mich. Irgendwann steht da was über Menschen, die mal irgendwann etwas mit mir zu hatten oder die ich gar nicht kenne. Google kann auch nicht alles. Und uuuuuups, jetzt hab ich gerade Bill Gates eingegeben. Oh mein Gott. Der Mann spuckt 226.000.000 Ergebnisse aus. Immer ehrlich bleiben All diese Beiträge sind in einer Reihenfolge angeordnet. Und zwar nach Relevanz. Nicht ich, sondern Google entscheidet, was über mich wichtig ist. Ganz allein Google. Mit einer gigantischen Maschinerie. Dahinter stecken Algorithmen. Das ist echt kompliziert und würde auch zu weit führen. Ok, ich bin wieder ehrlich. Ich hab's selber nicht kapiert. Tatsache aber ist, das Google bestimmt, was wichtig ist. Bei mir steht, glaube ich, an erster Stelle mein Wikipedia-Eintrag. Juchuiii, ich habe einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Ok, ich bin auch da ehrlich. Den hat mal vor vielen Jahren mein Verlag angelegt, als wir zusammen das erste Buch gemacht haben. Aber es ist schön, so einen Eintrag zu haben. Und er steht an erster Stelle, weil Google findet, dass dieser Eintrag im Zusammenhang mit mir als Person die höchste Relevanz hat. Dass liegt an den vielen Rückverlinkungen, sogenannte Backlinks, die Wikipedia hat. Kompliziert, ich weiß. Ist halt so. Wikipedia wird so oft benutzt und hat so viele Backlinks, dass Google gar nicht anders kann, als die Wiki-Einträge überall an Platz Eins zu setzen. Ist Ihnen nie aufgefallen, dass in unglaublich vielen Fällen zuerst Wikipedia erscheint, wenn Sie nach einen Sachbegriff suchen. Das Beste überhaupt wäre, Sie hätten mit Ihren Business einen Wiki-Eintrag. Dann wären Sie immer und überall bereits oben angekommen. Aber es bekommt halt nicht jeder einen Eintrag dort. Bedauerlich, aber halt auch eine Tatsache. Also bestimmt weiterhin Google, wo Sie landen. Clevere Burschen in Kalifornien Aber – Achtung, jetzt wird es spannend – man kann die Reihenfolge der Suchergebnisse beeinflussen. Google ändert zwar ständig die Modalitäten und man muss verdammt clever sein, um die Burschen in Mountain View, Kalifornien zu überlisten. Haben Sie gewusst, dass Google, eine der wertvollsten Marken der Welt, dort den Hauptsitz hat? Geben Sie es zu, haben Sie nicht. Ich auch nicht. Ich dachte in Palo Alto, nicht weit weg von Los Angeles, wo auch Apple sitzt. Ich habs auch grad eben gegoogelt! Mountain View, Bergblick, sicher sehr cool. So möchte ich auch arbeiten. Doch ich sitze halt mitten im Dorf von Sand in Taufers in Südtirol. Aber das ist auch sehr nett. Jedenfalls kann man da was machen. Mit der Reihenfolge der Auflistung. Lange Zeit lief das Spiel über Key-Words. Dann hieß das Ad-Words. Die musste man kaufen. Wieso ist Google so reich? Na klar, weil die so clever sind wie Sie und ich. Wir verkaufen ja auch was wir haben, was wir produzieren, was wir können. Das ist doch das Normalste der Welt. Schimpfen Sie nur ja nicht mit mir, wenn ich eines Tages etwas in Rechnung stelle. Tun Sie doch auch. Von Words und Ranglisten Also, Key-Words, Ad-Words. Google hat seine Algorithmus-Maschinen über eine Homepage laufen lassen und schwups wurden bestimmte Begriffe erkannt. Diese Begriffe hat Google dann gefrühstückt, verarbeitet und zum Mittagessen ausgespuckt, dass auf meiner Homepage ziemlich exponiert in einer Überschrift steht "Text in Südtirol" (Sie erinnern sich, das ist der Schmäh von weiter oben). Aha, sagt Google sich, da bietet eine Internet-Seite "Text" an. Und das auch noch in "Südtirol". Schön. Setzen wir ziemlich weit rauf, sagt Google am Nachmittag. Und am Abend stehe ich auf Rang Eins in der Liste. Aber nur wenn jemand nach "Text in Südtirol" sucht. Schreibt man nur "Text" oder nur "Südtirol" kommt da ganz was anderes raus. Logisch, oder? Bis der Ball platzt Soweit, so gut. Oder schlecht. Denn meine Freunde bei den großen Agenturen auf der ganzen Welt haben mit diesen "Words" ein Fass aufgemacht, bis es übergelaufen ist. So wie der Weltfußballverband FIFA den Ball irgendwann so fest aufgepumpt haben wird, dass er platzt. Was der Ball der FIFA mit dem Thema zu tun hat? Nichts. Ist aber gut für Google, weil FIFA ein verdammt guter Suchbegriff ist. Noch besser als Kronplatz und Pian de Corones". Das erkläre ich Ihnen gleich näher. Das mit dem Ball aufpumpen hab ich 1994 mal in einem Kommentar zur FIFA-Fußball-Weltmeistgerschaft in den USA für eine wirklich große Zeitung geschrieben. Könnte also auch gut für die Suchmaschine sein, dass das hier steht. Wahrscheinlich. Vielleicht. Oder auch nicht. Man kann ja mal probieren. Die Words aus Key und Ad wurden solange und inflationär verwendet, bis auf meiner Homepage plötzlich stand "Text in Südtirol", "Text für Homepage Südtirol", "Text im Pustertal", "Text auf dem Kronplatz". Das ist natürlich Blödsinn. Das stand so nie auf meiner Homepage. So hätte ich ganz bestimmt nie meine Überschriften geschrieben. Nicht so. Nicht in der Penetranz. Aber viele Agenturen haben das so gemacht. Immer reichlich Words reingeknallt. Und Text in Verbindung mit "Kronplatz" macht sich sowie gut. Weil halt "Kronplatz", einer der meist-gegoogleten Begriffe Italiens ist. Also da heißt das dann natürlich "Pian de Corones". Wussten Sie das? Dass das so oft gegoogelt wird? Ist so. Glauben Sie mir. Plötzlich stand jedes dritte Hotel in Südtirol in der Nähe vom Kronplatz. Alle haben sie sich da angeschmiegt. Und wenn sie fünfzig Kilometer weit weg ihre Zimmer anboten. Bitte nicht nerven und langweilen Das hat Google genervt. Die sind ja nicht doof. Auch wenn das viele Agenturen immer noch nicht wahr haben wollen. Key-Words, Ad-Words und gute Titel machen sich immer noch gut. Keine Frage. Enorm wichtig. Aber sie müssen halt auch stimmen. Und sich nicht mit der Monotonie einer schleudernden Waschmaschine bis zum Drehwurm wiederholen. Key-Words sind wichtig. Denn man muss schon klar benennen, was man zu bieten hat. Vor allem wenn man gefunden werden will, in der riesigen Welt des Internets. Aber man sollte die Jungs in Kalifornien nicht auf den Arm nehmen oder sie mit ständigen Wiederholungen langweilen. Die merken das. Google lässt sich also längst nicht mehr alles gefallen. Hallo, die wollen v e r k a u f e n! Jetzt kommen Sie ins Spiel Nun nehmen wir einmal an, Sie sind ein Unternehmer. Sie backen, kreieren und verkaufen Kuchen. In einem netten Geschäft und mit einer ebenso netten Kundschaft. Doch es wäre ja schön, wenn das Kuchen-Geschäft noch ein bisschen angekurbelt würde. Wenn Sie ein bisschen mehr verkaufen könnten. Es wäre auch kein Problem, noch mehr Kuchen zu backen. Doch es wissen einfach nicht genug Menschen, dass Sie so guten Kuchen haben. Sie würden das gern bekannt machen. Aber wie? Genau. Ganz genau so, wie es oben steht. Man muss die Sache bewerben. Hm, denken Sie, man müsste mit dem Kuchen in die Zeitung. Die schreiben ja auch sonst über alles. Ok, wo ist die Nummer? Die von der Zeitung. Ich bin selbst mal so einer gewesen Jetzt kommen wir wieder auf die Zeitung zurück. Wenn Sie nun, ganz gleich, ob bei der Frankfurter Allgemeinen, der New York Times, der Gazetta della Sport, bei der ff oder den Dolomiten oder bei Ihrem Gemeindeblatt anrufen und fragen, ob sie dort wohl einen Artikel über Ihren Kuchen schreiben möchten, dann werden die Redakteure vielleicht zuhören - wenn sie freundliche Redakteure sind und nicht gerade genervt. Ich kenn mich da aus. Ich bin selbst Redakteur und war zwei Jahrzehnte bei einer wirklich ganz großen Zeitung in Deutschland beschäftigt. Meine Kollegen werden Sie also fragen, was besonderes an dem Kuchen ist. Und Sie werden sicherlich wahrheitsgemäß sagen, dass er halt gut ist, der Kuchen, und dass Sie ihn verkaufen in Ihrem tollen Geschäft. Ich hoffe, Sie haben ein tolles Geschäft.
Hans Kammerlander, Extrembergsteiger aus Südtirol
von Walther Lücker 09 März, 2021
1997 trafen sich der Extrem-Bergsteiger Hans Kammerlander und der Journalist Walther Lücker in Südtirol und verabredeten eine gemeinsame Expedition zum Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, an der Grenze zwischen Nepal und dem indischen Bundesstaat Sikkim. Im Verlaufe dieser Expedition recherchierte und schrieb Walther Lücker die ersten drei Kapitel von Kammerlander späterem Bestseller "Bergsüchtig".
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